Dankbarkeit ist eine Frage des Verständnisses und nicht jeder teilt dieselbe Auffassung. Fehlt uns wirklich etwas? Wenn wir ehrlich sind, werden wir feststellen, dass dem meist nicht so ist. Krisen kommen und Krisen gehen, doch bergen sie immer Chancen in sich – und richtig verstanden, können wir diese zu Erfolg umwandeln.
Deshalb sollten wir den Blick in die Zukunft richten, die Vergangenheit reflektieren und das Positive daraus ziehen. Denn Normalität, wie wir sie bisher kannten, ist vorbei. Die Boomjahre, wie wir sie seit 2015 erlebt haben, sind nicht die Normalität, sondern das, was wir aus dem schöpften, was uns gegeben war. Nun nähern wir uns den Grenzen dessen an, was noch zu holen ist – wir haben unseren Planeten beraubt, jedoch nichts zurückgegeben.
Tauchen wir ein in eine Regnose (Matthias Horx): Es ist Ende des Jahres 2020, ein kalter Dezemberabend am Kamin, ein gutes Glas Wein in der Hand. Draussen Schnee und wir denken: «Wie sauber doch die Natur ist, die Luft voll Energie, das Leben entschleunigt und endlich wissen wir wieder, was wahrer Genuss ist.»
Denn wenn wir ehrlich sind, können wir mit Stolz sagen, dass wir gestärkt aus der Pandemie hervorgehen. Ohne ernsthaften Verzicht. Wahre Werte kommen nun wieder zum Vorschein. Die Hektik des Alltags durch Multichannels, Telefone und Meetings hat sich reduziert auf das Wesentliche. Wir fühlen wieder Demut und erfahren ein neues Sinn-Verständnis. Wir sind achtsamer geworden, lernen Familie wieder zu schätzen und neu zu erleben. Kontakte und Kommunikation haben sich grundlegend verändert und wir staunen, wie positiv die Wirkung ist. Wir spüren wieder die wahren Werte des Seins, Egoismus zeigt sich obsolet und Solidarität tritt in den Fokus.
Fast vergessene Eigenschaften wie Höflichkeit und Zuvorkommenheit treten wieder ans Tageslicht. Ein Wunder? Nein, sondern die Folge davon, von heute auf morgen das Leben ändern zu müssen, weil man die Unterstützung anderer braucht. Das digitale Zeitalter ist nicht mehr nur in aller Munde, sondern wird Realität – auch für jene, die sich schwer damit tun, Angst davor haben oder es gar ablehnen.
Wir schränken uns mit Reisen ein, halten stattdessen Online-Meetings ab, wenn es nötig und sinnvoll ist, nutzen nun die Technologien, die uns ohnehin zur Verfügung stehen, im Sinne der Effizienz und bewahren und schaffen uns dadurch mehr Zeit für Menschen. Erstaunlicherweise steigt die Produktivität entgegen der Annahme, sie nehme ab. Die zuvor eingebrochenen Märkte erleben eine Konjunktur der Neuerfindung!
Erreichbarkeit bedeutet wieder Verbindlichkeit, Oberflächlichkeit weicht zugunsten von Bedeutung! Zeit, unser grösstes Gut neben Gesundheit und Familie, wird wieder wichtig. In Ruhe überlegen, kreieren, erfinden wir, was zukünftig relevant sein wird. Sachlichkeit ohne Chichi und Bling-Bling wird belohnt mit neuem Luxus: Spazierengehen, kochen, lesen, gute Gespräche führen. Wir erfahren ein neues Leben, obschon wir beängstigend nah am Abgrund standen. Unsere Werte verändern sich also und Trash nimmt Abschied aus dem Sein. Im Rhythmus von durch die Krise gehen und daraus Neues erarbeiten lösen wir uns von alten Verhaltensweisen. Es wird vieles überflüssig, Hysterie verschwindet, Besitz verliert seinen Stellenwert. Liebe, Gesundheit und Zufriedenheit sind das neue Gold.
Wie aber sollen wir in diesem neuen Sein zurechtkommen? Hierbei helfen uns unsere frischen Erfahrungen, technische Mittel, medizinischer Fortschritt und Soziale Intelligenz. Dank der Krise erlebt unsere Kultur einen Schub und was wichtig ist, wird neu definiert. Technologie bleibt ein Treiber für Effizienz, doch „Hand“werk ist der neue Luxus.
Was lernen wir aus all dem? Mitmenschlichkeit und Solidarität prägen unser Denken erfolgreicher als moderne Technologie. Einen absoluten Stillstand hat es nicht gegeben, die Systeme sind nicht zusammengebrochen, neue Wege wurden definiert. Wir befinden uns mitten in einem Prozess der Glocalisation – der Lokalisierung im Globalen. Wir produzieren lokal, erlernen ein Handwerk, bauen selbst Lebensmittel an, forsten Wälder auf, fördern Biodiversität, forschen an Impfstoffen – und verändern damit die Welt. Das Motto lautet: Zusammen wachsen und zusammenwachsen. Auch Vermögens- und Kontrollverluste schmerzen nicht so sehr, wie erwartet, denn unsere Schwerpunkte haben sich verschoben: unser Fokus liegt nun auf Familie und Solidarität.
Noch vieles ist über die neuen Werte zu lernen, denn sie prägen unseren Mindset, wie wir bewusst die Zukunft wahrnehmen. Verlernen und neu erlernen fordern uns nun heraus. Routinen und Gewohnheiten brechen auf, um den Weg zu ebnen für Neues – auch Besseres!
Glocalisation – das neue Luxus-Paradigma wird uns zeigen, wie wichtig die Rückbesinnung auf wahre Werte ist. Räumliche und körperliche Distanz sind derzeit notwendig, dafür wächst Nähe in Form von Verbundenheit und Solidarität. Ausgehend von der aktuellen Revolution kommt ein evolutionärer Prozess in Gang, der den Mensch und seine Lebensform neu erfindet